
Dem Heinerhofbauern sein Knecht sagt, es ist ein Glück, daß er den Heinerhofbauern nicht wählen muß, weil er auch so der Chef ist. Das spart ihm den Weg hinunter ins Tal, um seine Stimme abzugeben. Aber wenn er den Heinerhofbauern erst wählen müsste, damit er sein Chef ist, dann würde er sogar zu Fuß ins Tal und wieder zurück auf den Hof laufen. Weil der Heinerhofbauer ein guter Chef ist, auf den man sich verlassen kann. Wenn der Heinerhofbauer etwas sagt, dann stimmt es auch, sagt der Knecht. Daß er dem Knecht nicht mehr Lohn zahlen wird, habe sich bisher noch jedes Mal als richtig herausgestellt.
Am Sonntag muß er aber trotzdem ins Tal hinunter, weil er sowieso jeden Sonntag mit dem Bauern und der Bäuerin im Unimog zum Kirchgang ins Dorf hinunterfährt. Laufen würde er dafür nicht mehr, seit die neue Pfarrerin da ist. Seit die da ist, sagt der Knecht, verdirbt sie ihm jeden Sonntag. So schlimm sei es, daß er nach dem Kirchgang am liebsten nach den Hofhühnern treten würde. Es dauere jedes Mal bis zum Dienstag, bis er sich so weit beruhigt habe, daß ihn das Gegacker nicht mehr aufregt. Beim alten Pfarrer habe er noch zuverlässig seinen Seelenfrieden im Geiste des Herrn mit auf den Hof zurückgebracht.
Weil der Heinerhofbauer und die Bäuerin diesen Sonntag aber gleich wählen gehen, wenn sie schon im Dorf unten sind, geht er halt auch mit, um seine Stimme abzugeben. Obwohl es ein Schmarren ist, sagt dem Heinerhofbauern sein Knecht, weil am Sonntag die Stellvertreter gewählt werden. Er selbst könnte ja den Bauern vertreten, sagt der Knecht, die Bäuerin könnte notfalls auch ihn, den Knecht vertreten, die Bäuerin allerdings würden weder der Bauer noch er selbst vertreten wollen, und wie man darauf kommen kann, daß jemand den Bauern, die Bäuerin und ihn selbst vertreten können soll, ist ihm schleierhaft. Überhaupt sei das mit der Stellvertreterei ein Schmarren, weil es einfach ein Schmarren ist, daß man jemanden als Stellvertreter wählen soll, der sich hernach sowieso aufführt, als sei er zum Chef gewählt worden. Dem Heinerhofbauern sein Knecht sagt, er braucht keinen Chef zu wählen, weil er schon einen hat. Der Heinerhofbauer und die Bäuerin wählen aber trotzdem alle vier Jahre nach dem Kirchgang. Und weil das so ist, wählt er halt auch. Obwohl es ein Schmarren ist. Weil auf dem Heinerhof noch nie jemand etwas davon gehabt hat, daß alle vier Jahre gewählt worden ist. Noch nicht einmal die Viecher hätten etwas davon gehabt. Und daß es kein Wunder sei, wenn man sich anschaut, wer sich da zum Stellvertreter wählen läßt. Es reicht, wenn man sich die Gesichter der Stellvertreter auf den Plakaten im Dorf unten anschaut, sagt der Knecht, damit man sofort erkennt, daß es nur Chefs sind und keine Stellvertreter. Weil die schon so ausschauen, als könnten sie keine Mistgabel in der Hand halten. Wer aber keine Mistgabel in der Hand halten kann, sagt der Knecht, braucht ihm nicht zu erzählen, daß er ihn vertreten könnte. Der Stall gehört schließlich jeden Tag ausgemistet.
Wenn er so zurückdenkt, sagt der Knecht, dann sind sie auf dem Heinerhof noch jedesmal die Angeschmierten gewesen, wenn sie getan haben, was im Kreisboten gestanden hat, daß sie es tun sollen, weil die Stellvertreterchefs behauptet hätten, daß es notwendig sei. Zum Beispiel damals, als im Kreisboten stand, die Bauern sollen mehr Schweine züchten, weil die Schweine eine Minderheit auf den Berghöfen sind. Angebaut haben sie damals am Schweinestall, erzählt der Knecht. Überall auf den umliegenden Höfen hätten die Bauern mit den Knechten zusammen angebaut. Nach kurzer Zeit sei sogar das Echo in den Bergen ein einziges Gegrunze gewesen. Schöner sei es vorher gewesen, als man statt des Minderheitengegrunzes noch das Murmeltier hat pfeifen hören können. Wenig später habe dann im Kreisboten gestanden, daß sich die Schweinezucht nicht rentiert, weil es ein Überangebot gibt und die Preise in den Keller fallen. Gefüttert werden hätten die Schweine aber trotzdem müssen. Und ausmisten hätte man den Saustall auch jeden Tag gemußt. Für einen solchen Schmarren braucht er keine Stellvertreter wählen, die sich aufführen wie die Chefs, sagt dem Heinerhofbauern sein Knecht. Die haben keinen Überblick, sagt er. Weder als Stellvertreter noch als Chefs. Die hätten damals noch nicht einmal bedacht, daß es im Saustall schlimmer stinkt, als bei den Rindviechern im Kuhstall.
Es ist immer interessant, was dem Heinerhofbauern sein Knecht zu erzählen weiß. Aber so zornig wie dieses Mal habe ich ihn selten erlebt. Allein, wenn er daran denkt, daß er sich am Sonntag erst einmal die neue Pfarrerin anhören muß, bevor er mit dem Bauern und der Bäuerin zusammen zum wählen geht, sagt der Knecht, ist ihm der Rest der Woche schon versaut. Als ob es noch eines Beweises bedurft hätte, hob er einen Stein vom Boden auf und warf ihn in Richtung Hühnerstall – “Ruhe!”.
Irgendetwas mußte ich tun, um die Laune des Knechts wieder zu heben. Er sei mit seinem Frust nicht allein, sagte ich. Immer mehr Leute unten im Tal hätten, so wie er selbst, erkannt, daß es mit der scheinheiligen Stellvertreterei durch die Unfähigen und die machtgeilen Ehrlosen nicht mehr so weitergehen kann. Ob er denn wisse, wo der Heinerhofbauer und die Bäuerin am Sonntag ihre Kreuzchen machen, fragte ich ihn. Zuerst bei der neuen Pfarrerin in der Kirche, erwiderte der Knecht. Danach wollten sie am kommenden Sonntag einmal die anderen ausprobieren. Er sei sich noch nicht sicher, ob er sich ihnen anschließen soll. Schließlich müsse man jeder Neuerung gegenüber erst einmal mißtrauisch sein, weil sie höchstwahrscheinlich wieder nichts anderes sei, als eben ein neuer Schmarren.
Ob er Albert Einstein kenne, fragte ich ihn. Natürlich wisse er, wer Albert Einstein gewesen ist, erwiderte der Knecht. Ein saumäßig kluger Kopf, Nobelpreisträger sogar. Der Einstein, erzählte ich dem Knecht, habe einmal gesagt, daß es ein sicheres Anzeichen von Wahnsinn sei, wenn man mit den immerselben Mitteln versucht, eine Änderung beim Ergebnis herbeizuführen. Weil aber nun einmal gewählt werde, und weil das auf jeden Fall ein Ergebnis bringt, das einem noch nicht einmal gefallen muß, damit es im Kreisboten trotzdem als gültig bezeichnet wird, bleibe ihm auch gar nichts anderes übrig, als etwas Neues auszuprobieren. Die anderen, fügte ich an, seien wenigstens keine, die – außer saudumm in der Gegend herumzugackern – nichts gelernt hätten. Da seien anständige und fähige Leute dabei, die eine Mistgabel richtig herum halten können. Ich hatte Erfolg damit. Die finstere Miene des Knechts hellte sich auf.
Als ich ihm dann noch erklärte, was für ein Hochgefühl es wäre, der neuen Pfarrerin nach dem peinvollen Kirchgang eins auszuwischen für ihr gottloses Minderheitengegacker, und daß sie nichts dagegen machen kann, klopfte sich der Knecht erst auf die Schenkel vor Vernügen – und mir dann anerkennend auf die Schulter -, um gleich zu erwidern, daß er es gar nicht mehr erwarten könne, bis endlich Sonntag sei. Er entkorkte die Obstlerflasche, schenkte jedem von uns ein Stamperl ein, wir stießen an und verabredeten uns für den Sonntag nach der Wahl im Wirtshaus unten im Dorf. Er sei gespannt, so der Knecht, wie die Bauern und die Knechte der umliegenden Höfe gewählt – und ob sie der neuen Pfarrerin ebenfalls einen Strich durch die Hühnerrechnung gemacht haben. Außerdem habe sich der Mooshammer Rudi, der Haderlump, schon lang eine saftige Abreibung verdient.

Den treffe man am zuverlässigsten am Sonntag nach der Kirche im Wirtshaus. Vielleicht gehe ja eine schöne Rauferei zusammen beim Dorfwirt, bei der man nebenher noch dem einen oder dem anderen aus der Mooshammersippe, der hinterfotzigen, eine schmieren kann, so daß es auf jeden Fall ein lustiger Sonntag wird. Mit einem “Hawedieehre!” verabschiedete ich mich und trat den Heimweg an.