Dem Heinerhofbauern sein Knecht gründet einen Ethikrat

Dem Heinerhofbauern sein Knecht – Foto: Heinerhofbauer

Im Kreisboten hat dem Heinerhofbauern sein Knecht vom deutschen Ethikrat gelesen. Instinktiv erkannte er das Potential, das einem solchen Ethikrat innewohnt, und beschloß, auf dem Heinerhof einen solchen Ethikrat zu gründen.

von Max Erdinger

Essen ist nicht nur Privatsache„, habe im Kreisboten gestanden, erzählt dem Heinerhofbauern sein Knecht. Und daß der deutsche Ethikrat, respektive dessen Vorsitzende, die Frau Prof.Dr. Alena Buyx, eine solche Lüge verbreitet hätte. Von seiner Brotzeit würde er diesen Lumpen nichts abgeben, weil seine Brotzeit eben schon seine Privatsache sei. Er braucht keine studierte Schnepfe, sagt er, die ihm einreden will, seine Brotzeit sei nicht seine Privatsache. Noch nicht einmal dem Bauern würde er etwas von seiner Brotzeit abgeben. Nur der Hund bekommt manchmal etwas, weil es seine Privatsache sei, wem er etwas von seiner Brotzeit abgeben will.

Aber so ein Ethikrat sei trotzdem eine gute Idee, sagt dem Heinerhofbauern sein Knecht. Er habe einmal nachgeschaut, was so eine Ethik überhaupt sein soll. Ethik ist das, was sich gehört, sagt der Knecht. Wenn man jetzt einen Rat hat, auf den alle hören, dann sei das schon gut. Vorausgesetzt, der Rat empfiehlt das, was man ihm selber aufträgt. Deswegen hat er jetzt einen solchen Rat gegründet. Daß es auf dem Heinerhof nicht so viele Leute gibt, mit denen man einen Ethikrat gründen könnte, sei gar kein Problem gewesen. Der deutsche Ethikrat veröffentliche seine Ratschläge schließlich auch in leichter Sprache – und er selbst, der Knecht, verstehe sich hervorragend mit den Viechern auf dem Hof. Der Ethikrat auf dem Heinerhof bestehe deshalb aus Rindviechern und Hühnern. Die verstehen leichte Sprache, sagt dem Heinerhofbauern sein Knecht – und wenn sie gackern und blöken, dann läßt es sich leicht ins Deutsche übersetzen. Bei der Gründung habe er sich überlegt, daß so ein Ethikrat auf dem Heinerhof schon längst überfällig gewesen ist. Außer bei der Brotzeit.

Der Bauer und die Bäuerin seien aufrechte Leute, die sich sehr dafür interessieren, was sich gehört, sagt dem Heinerhofbauern sein Knecht. So wüssten sie zum Beispiel, daß der Knecht immer als Erster in der Früh aufstehen -, den Herd anschüren – und dann die Kühe melken und den Stall ausmisten muß. Weil sich das so gehört. Und daß der Knecht überhaupt machen muß, was ihm der Bauer und die Bäuerin anschaffen. Das wüssten sie.

Seit es auf dem Heinerhof aber einen Ethikrat gibt, wüssten der Bauer und die Bäuerin noch viel mehr, sagt dem Heinerhofbauern sein Knecht. Weil er ihnen erzählt, was der Ethikrat richtig findet. Der Bauer und die Bäuerin seien froh, daß ihnen das Gegacker der Hühner endlich einmal jemand übersetzt. Weil sie jetzt ganz genau wissen, was die Hühner meinen, wenn sie gackern. Und daß die Rindviecher mordsmäßig schlau und von edler Gesinnung sind, das wüssten sie jetzt auch, sagt dem Heinerhofbauern sein Knecht

Als ihn der Bauer beim Nachtessen letzthin ganz interessiert gefragt hat, was „Gooock – gock – gack“ auf ethisch heißt, hat es ihm der Knecht erklärt: „Das heißt leider, daß der Knecht mehr Lohn braucht“. Der Bauer habe zuerst einmal geschaut, als wollte er es nicht glauben, sagt der Knecht, aber da hat er dann einfach den Kreisboten auf den Tisch gelegt und dem Bauern mit dem Finger die Textstelle gezeigt, die mit „der deutsche Ethikrat bekommt 1,7 Mio. Euro im Jahr von der Bundesregierung …“ losgeht. Geschluckt habe der Bauer zuerst, aber er, der Knecht, habe ihn schnell beruhigen können, indem er dem Bauern zusicherte, der Ethikrat auf dem Hof würde sich mit viel weniger begnügen. Weil er viel ethischer sei als der deutsche Ethikrat in der Stadt, diesem Sündenpfuhl. Mit 200.000 sei der Bauer recht ländlich mit von der Partie bei der ethischen Verbesserung des Hofes, der unerläßlichen.

Auf die Frage des Bauern, was die Rindviecher zur Ethik der Hühner gesagt hätten, habe er geantwortet: „Muh!“. Und daß er es auch gleich übersetzt hat für den Bauern: „Die Hühner haben vollkommen recht.“ Danach habe der Bauer recht säuerlich dreingeschaut und den Unimog samt Geräteträger im Kreisboten zum Verkauf inseriert.

Das mit dem Ethikrat laufe jetzt schon seit Mariä Lichtmeß recht gut, sagt der Knecht, aber er sagt auch, daß er den Verdacht hat, es könnte vielleicht nicht mehr lange gut laufen, weil sich der Unimog samt Geräteträger allerweil schlecht verkaufen läßt. Die anderen Bauern seien auch nicht mehr so reich wie früher. Neuerdings prahle der Bauer damit, daß er sogar selbst schon einmal verstanden hätte, was die Hühner gackern – und daß er den Knecht als Übersetzer nicht mehr braucht. Er, der Knecht als Sprecher des Ethikrats, habe ihm der Bauer angeschafft, solle lieber den Schweinen als dem Bauern etwas von der Ethik erzählen, weil gerade die Säue einen gewaltigen Nachholbedarf hätten und ethisch hinterhergrunzen. Das sei zwar verständlich, weil man Ethik und Schwein nicht so leicht zusammenbringt, aber ein Mißstand sei es trotzdem. Die Hühner und die Rindviecher wiederum hätten dem Bauern erzählt, sagt der Knecht – und daß es der Bauer auch geglaubt habe -, daß sie für sehr viel weniger als 200.000 Euro eine astreine Ethik bei der gemeinsamen Beratung mit den Rindviechern gefunden hätten.

Von einem Ethikrat, der so sparsam ist, sagt der Knecht, hat er selber nichts mehr. Weswegen er den Bauern auch nach dem O-Ton der Hühner gefragt habe. „Gaaaack-gack-gack-putt-putt“ hätten sie angeblich gesagt. Er sei sich aber nicht sicher, so der Knecht, ob er dem Bauern noch recht lang den Bauch damit pinseln kann, daß seine Übersetzungen zwar schon fast, leider aber immer noch nicht ganz richtig seien. Dieses Mal habe er den Bauern noch davon überzeugen können, daß der Ethikrat „200.000 reichen gerade so“ gesagt hat, und nicht, daß er für deutlich weniger als 200.000 eine Ethik herstellen kann, die etwas taugt auf dem Hof, 876 Meter über Normal Null.

Er merkt nämlich schon, sagt der Knecht, daß sich der Bauer inzwischen überlegt, wie er den Ethikrat austricksen könnte. Lang lasse sich der Bauer bestimmt nicht mehr einreden, daß er die Rindviecher und die Hühner nicht ganz richtig versteht. Wenn die Schweine in Zukunft auch noch recht ethisch mitgrunzen dürfen, sagt der Knecht, dann wird´s unübersichtlich bei der Übersetzung der Beratungsprotokolle, die er für den Bauern anfertigt. Unübersichtlichkeit sei nicht das beste für seinen Ethikrat, so der Knecht. Zuletzt käme der Bauer noch darauf, daß sie alle miteinander Englisch lernen müssen auf dem Hof, damit sich das ganze ethische Gegrunze, das Gegacker und Geblöke vereinheitlicht und alle auch ohne Übersetzer miteinander reden können. Und dann sei noch nicht einmal sicher, daß die Hühner auf Englisch nicht doch wieder bloß gackern würden. Wohin er das dann noch übersetzen soll, frage er sich, sagt der Knecht.

Obwohl dieser Ethikrat eigentlich eine recht gute Idee gewesen sei, überlege er sich deshalb, ob er dem Bauern nicht einfach sagen soll, daß die Rindviecher und die Schweine gegen die Stimmen der Hühner die Auflösung des Ethikrats beschlossen hätten. Das könnte klug sein, so lange der Bauer noch glaubt, daß er die Hühner und die Rindviecher nicht so gut versteht wie der Knecht. Es gefalle ihm der Gedanke nicht, so der Knecht, daß es der Bauer werden könnte, der anschafft, was die Hühner, die Rindviecher und die Schweine recht ethisch als Tagesparole herausgeben – und daß er es womöglich auch noch vom Gockel auf dem Mist verkünden läßt, während der Hund die Brotzeit selbständig vom Küchentisch herunterfrißt.

Vielleicht sollte er sich wieder auf den Verkauf seines „Bio-Impfhonig aus den Bergen – Natürlich gegen Impf-Nebenwirkungen“ an die Bergwanderer aus der Stadt konzentrieren, sagt der Knecht, und auf die 200.000 für den Sprecher des tierischen Ethikrats verzichten, weil er ja auch hinter den Rindviechern her auf die Wiese hinauflaufen müsste, wenn der Unimog samt Geräteträger nicht mehr da ist. Den neuen Allrad-Fendt gibt ihm der Bauer nämlich nicht. Den fährt er selber. Was übrigens ein ethisches Problem sei, so neu wie der Fendt.