Dem Heinerhofbauern sein Knecht schreibt einen Brief an Markus Söder

Dem Heinerhofbauern sein Knecht - Foto: Heinerhofbauer
Dem Heinerhofbauern sein Knecht – Foto: Heinerhofbauer

Mitten in der vierten Welle machte ich mich auf den beschwerlichen Weg in die Garage, um die steile Bergstrecke hinauf zum Heinerhof zu bewältigen. Ich wollte wissen, was dem Heinerhofbauern sein Knecht über das Coronamanagement der bayerischen Staatsregierung denkt. Der Knecht begrüßte mich recht herzlich und bat mich in die vorweihnachtlich geschmückte Stube. Auf der Eckbank vor dem Kachelofen saßen wir, der Knecht stellte die Obstlerflasche auf den Tisch und stellte zwei Schnapsgläser dazu. Wir stießen zuerst einmal an.

„Gut, daß Du mich fragst“, sagte der Knecht, „gerade erst habe ich einen Brief an den Söder geschrieben. Magst ihn lesen?“ Natürlich wollte ich den Brief lesen …

„Servus Ministerpräsident, verehrter!                      Heinerhof am Tag des Herrn, den 21. November 2021

Ein Sauhund bist du schon, ein ganz ein harter. Mir imponiert das. Wo ich das Bild von dir im Kreisboten gesehen habe, wie du in dem geparkten Abfangjäger mit einem Siegerlächeln deinen Daumen hochgereckt hast im Flugzeugführerstand, da habe ich sofort gewußt, daß er es jetzt verschissen hat, der Virus der elendige bei uns da in Bayern. Bestimmt hast du ein ganzes Virusgeschwader vom Himmel heruntergeschossen, Ministerpräsident. Wegen dem Siegerlächeln, meine ich.

Jetzt paß auf, Söder: Mich trifft es ja nicht so hart auf dem Heinerhof mit dem Logdaun, weil außer mir nur der Bauer und die Bäuerin da heroben sind und weil wir sowieso immer einen Abstand halten. Deswegen sage ich: Regier die Stadtmensch ruhig recht hart. Sperr sie ein und sag die Weihnachtsmärkte ab. Scheiß drauf, ob die Händler alles schon eingekauft haben und die Stände schon aufgebaut sind bei dir daheim in Nürnberg. Die müssen halt jetzt einmal die Zähne zusammenbeißen für unser Bayernland und sein Volk. Es ist ja nicht deine Schuld, daß sie keinen Abfangjäger fliegen können. So ein Abfangjäger macht ja gerade den Unterschied aus zwischen dem einfachen Volk und einem knallharten Ministerpräsidenten, der wo sich auskennt mit der Virusflugabwehr. Da können sie ihre Weihnachtsmarktbuden schon wieder abbauen und pleite gehen. Das werden sie wohl schaffen für die Volksgesundheit, diese Krämerseelen. Sollen sie ihren Glühwein und die Lebkuchen halt im Sommer verkaufen. Im Nürnberger Freibad. Wenn es nicht wegen dem Virus zugesperrt ist, dem elendigen. Wenn sie umeinandermeckern, die beleidigten Maulaffen, dann soll ihnen die Gendarmerie mit dem Knüppel auf ihre Krachschädel hauen. Da muß man gnadenlos sein. Kampflos ergibt sich der Virus nicht, der elendige. Es ist heldenhaft, den wahren Volksfeind mit aller Kraft zu bekämpfen, welcher dieser Virus ist, der elendige. Du bist mein Held, Ministerpräsident.

Aber jetzt einmal eine andere Sache. Im Kreisboten habe ich gelesen, daß du die Stadtmenschen zwingen willst, sich gegen den Virus impfen zu lassen. Und mich auch. Das ist schön von dir, aber um mich brauchst dir keine Sorge nicht machen, weil wir da heroben selber fertig werden mit dem Virus, dem elendigen. Oder er mit uns. Aber es schaut ganz gut aus für mich, den Bauern und die Bäuerin. Jetzt ist es so, daß ich mich vor einer ganz anderen Sache fürchte, Ministerpräsident. Und zwar fürchte ich, daß das Volk wo keinen Abfangjäger nicht fliegen kann, auch nicht begreift, daß der Impfzwang von dir nur zu seinem besten ist. Und daß du dein hohes Ansehen beim Volk verlieren könntest, befürchte ich. Das wäre ein Jammer, weil es heute nicht mehr so viele Helden gibt, wie du einer bist.

Deswegen habe ich als bayerischer Patriot einmal mitgedacht und mir überlegt, was du machen mußt, Ministerpräsident, verehrter, um dem fluguntauglichen Volk den Glauben an seinen Helden zu erhalten, auf daß es auch weiterhin wie ein Mann hinter dir steht, worüber sich der Virus, der elendige, saumäßig grämen täte.

So mußt du es machen, Ministerpräsident: Du gehst zu einem Fernsehsender hin, Bayerischer Rundfunk zum Beispiel, brüllst, die sollen das Programm unterbrechen, weil du eine Ansprache halten mußt, und dann sagst du es dem Volk. So vielleicht: „Liebes Volk, es tut mir leid, daß ich euch zum Impfen zwingen muß, aber damit ihr seht, daß ich es ehrlich mit euch meine, verspreche ich, daß ich mich auf der Stelle aufhängen werde, wenn auch nur einer von euch seine Zwangsimpfung nicht überlebt“. Dann klatschen welche im Lautsprecher und du hältst zwei gereckte Daumen in die Kamera. Dazu zwinkerst du mit dem linken Aug, damit es auf dem Fernseher das rechte ist. Als nächstes begrüßt du zwei Aushilfsschauspieler, die einen blau-weißen Galgen mit einem rotweiß geringelten Strick daran auf die Studiobühne schleppen, setzt dein Siegerlächeln auf, reckst deinen linken Daumen in die Kamera und zeigst mit der anderen Hand auf den Galgen. Die Studio-Blaskapelle spielt einen Tusch – und dann sagst du: „Da schaut her, ihr Bayern, das ist meiner. Den habe ich aus meinem eigenen Geldbeutel bezahlt. Sogar mein Name steht schon oben am Querbalken. Ab sofort habe ich meinen Galgen immer dabei, sogar auf dem Anhänger hinter meinem BMW. Wenn nach der Impfung einer stirbt, Anruf genügt, hier ist meine Telefonnummer …“ – dann blenden sie deine Telefonnummer eine Minute lang ein -, “ … ich lasse den Chauffeur anhalten und erhänge mich auf der Stelle. Ich bin der Ministerpräsident, weil ich ein Zwangsheld bin und vor lauter Freude am Abwehrkampf gar nicht genug bekommen kann vom Impfzwang und der Verantwortungsfliegerei. Weswegen ihr eure Verantwortung auch bei mir abgeben sollt. Gut, daß ich euer Ministerpräsident bin. Ihr habt schon ein saumäßiges Glück. Und jetzt Ausgangssperre, Ärmel hochkrempeln – zack, zack, alles in den Arm! Gemeinsam besiegen wir den Virus, den elendigen! Es folgt der Wetterbericht. Euch einen schönen Abend, euer Markus Söder, Ministerpräsident und Held.“

Du brauchst dich für meinen Ratschlag nicht extra bei mir bedanken, Ministerpräsident, verehrter. Es ist mir als bayerischer Patriot eine Ehre, etwas zum Gelingen unseres schweren Abwehrkampfes gegen den Virus beizutragen, den elendigen, und dein Heldentum hochzuhalten. Leider haben wir auf dem Heinerhof keinen Abfangjäger. Sonst täte ich das Virusgeschwader an deiner Seite im Tiefflug durch die Täler unserer schönen Heimat jagen. Der Bauer will mir keinen kaufen. Ich tät dir schon Beistand leisten an der Luftfront, wenn der Bauer nicht immer so geizig wäre.

Einen schönen Gruß vom Heinerhof

Der Knecht“

Ich fand den Brief an Markus Söder, unseren bayerischen Ministerpräsidenten, sehr höflich, den Vorschlag des Knechts mit der Fernsehansprache hielt ich für ausgezeichnet, und so nahm ich den Brief mit, um ihn auf dem Nachhauseweg im Tal unten in den gelben Postbriefkasten zu werfen. Wir stießen noch einmal an und dann verabschiedete mich der Knecht mit einem freundschaftlichen Schulterklopfen. Im Rückspiegel konnte ich ihn kleiner werden sehen. Immer blieb er so lange im Türrahmen stehen, bis er mich aus dem Blick verloren hatte. Nicht zuletzt deswegen mochte ich dem Heinerhofbauern seinen Knecht.